Seit 40 Jahren lehrt der Hammersbacher Verein Chung-Gun die traditionelle Technik und Philosophie des Taekwondo

HAMMERSBACH ? „Tae-Kwon-Do“ bedeutet wörtlich übersetzt „Fuß-Faust-Weg“. Der Begriff umschreibt die Komponenten der aus Korea stammenden Kampfsportart, die sich vor allem durch ihre zahlreichen Sprünge und Beintechniken von anderen Disziplinen wie Karate oder Kung-Fu unterscheidet. Die letzte Silbe „Do“ meint die geistige Ebene, die persönliche Charakterbildung des Kämpfers. Beim Taekwondo-Verein Chung-Gun Hammersbach werden diese traditionellen Komponenten seit mittlerweile 40 Jahren gelehrt.

Kommt die Rede auf asiatische Kampfsportarten, denken viele Menschen spontan an halbnackte Kämpfer, die sich mit wütenden Schreien und blitzschnellen Tritten und Schlägen in fernöstlichen Kulisse einer Übermacht an Gegnern erwehren. Geprägt wurde dieses Bild vor allem von Kino-Ikonen wie Bruce Lee oder Chuck Norris, die Sportarten wie Karate, Kung-Fu oder Taekwondo durch ihre Martial-Arts-Filme in Europa und den USA sprichwörtlich auf die Sprünge geholfen haben.

Dass jedoch ausgerechnet im ländlichen Hammersbach ein Verein seit bereits vier Jahrzehnten traditionelle asiatische Kampf- und Bewegungstechniken unterrichtet, dürfte für manchen eine Überraschung sein.

Das Training findet an sechs Tagen in der Woche unter dem Dach der Astrid-Lindgren-Schule am Ortsmittelpunkt zwischen Marköbel und Langen-Bergheim statt. Bereits seit dem Ende der 70er Jahre nutzen die Sportler den weithin sichtbaren Kuppelsaal – wenn auch anfangs nur einmal pro Woche.

„Wir sind für die heutigen Trainingsmöglichkeiten sehr dankbar“, sagen Chung-Gun-Vorsitzender Michael Brückner und der Sportliche Leiter Thomas Schwabe. „Die Turnhalle der Schule war schon zu Zeiten der Vereinsgründung überbelegt. Nur dem Engagement der beiden damaligen Initiatoren Cornelia und Manfred Baus ist es zu verdanken, dass es heute überhaupt Taekwondo in Hammersbach gibt.“ Im März 1977 zog Familie Baus von Hanau nach Marköbel. Das gemeinsame sportliche Hobby hatte das Paar ab 1968 in einer privaten Sportschule in Offenbach ganz authentisch von dort lebenden Koreanern gelernt. Um auch nach dem Umzug weiter trainieren zu können, kam Cornelia und Manfred Baus die Idee, einen eigenen Verein zu gründen.

Doch ohne Trainingsort waren die Voraussetzungen für die Mitgliederwerbung schlecht. Hallenzeiten konnten sie allerdings nur als eingetragener Verein bekommen. „Die Quadratur des Kreises lösten wir durch die Aufnahme des Trainingsbetriebes im Anbau unseres Hauses im September 1977“, erinnert sich der Gründungsvorsitzende Manfred Baus in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Vereins. Doch bis zu einer dauerhaften Bleibe war es ein weiter Weg.

Heute müssen die Matten nicht mehr nach jedem Training weggeräumt werden, so wie früher in der Turnhalle.

Stattdessen sind die weichen Bodenelemente fest verzahnt. Und auch sonst hat sich der Verein in der Region längst etabliert. „Wir haben zurzeit etwa 170 Mitglieder, die auch aus den umliegenden Ortschaften wie Limeshain, Ronneburg oder Bruchköbel kommen“, berichtet Brückner. „Dreiviertel davon sind Kinder und Jugendliche.

Dabei profitieren wir auch von einer Kooperation mit der Astrid-Lindgren-Schule. So haben wir beispielsweise unsere Trainingszeiten auf die Unterrichtszeiten abgestimmt. Die Kinder bekommen von uns Konzentration, Disziplin und Respekt gegenüber dem anderen vermittelt.

Das macht sich wiederum im Schulalltag positiv bemerkbar.“ Das Training findet in verschiedenen Leistungs- und Altersgruppen statt. Anfänger können jederzeit einsteigen – auch Erwachsene. „Unsere Trainer sind alle vom Landessportbund zertifiziert“, sagt Schwab, der als Großmeister den Rang des 6. Dan innehat. Zudem ist Schwabe als Kampfrichter auf Bundesebene tätig.

„Ich mache den Sport seit 40 Jahren“, sagt der 53-Jährige, der bei der Bundesbank beschäftigt ist. „Ich schätze vor allem seine Vielseitigkeit: Man kann Beweglichkeit und Fitness erlangen. Für die einzelnen Bewegungsabläufe, auch Formen genannt, werden sogar eigene Weltmeisterschaften ausgetragen, während Taekwondo als Kampfsport olympisch ist.“

Theoretisch könne jeder eine Kampfsportschule eröffnen, so Brückner. „Manche werben sogar mit Slogans wie ‚Unbesiegbarkeit in vier Wochen’“, erklärt der selbstständige Bauingenieur. „Dabei ist das kreuzgefährlich. Selbst mit jahrelanger Erfahrung gelingt Selbstverteidigung nicht in allen Gefahrensituationen.“

Dennoch ist Brückner überzeugt, dass Taekwondo zur Selbstverteidigung gut geeignet ist. „Entscheidend ist das regelmäßige Training der Bewegungsabläufe. Die Hauptsache spielt sich jedoch im Kopf ab.“

Als Nachweis der geistigen Fähigkeiten eines Kämpfers gibt es im Taekwondo ab der Blaugurt-Prüfung den „Bruchtest“, bei dem beispielsweise Bretter durchschlagen oder durchtreten werden. „Das hat mit Statur und Größe des Kämpfers nichts zu tun“, so Schwabe. „Es kommt darauf an, seine Kraft mit Hilfe der erlernten Technik auf einen Punkt zu konzentrieren.“

Durch seinen verantwortungsbewussten Umgang mit Kindern und Jugendlichen und das technisch qualifizierte Training hat der Verein erfolgreiche Sportler hervorgebracht. Herausragend war der Gewinn der Bronzemedaille durch Sonny Jung bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul. Bis heute kämpfen Hammersbacher Sportler regelmäßig um Landesmeistertitel.

Allerdings, so Brückner, hätten Eltern auch oft ein falsches Bild von dem Sport. „Viele kommen zu uns und sagen, ‚unser Kind soll sich verteidigen können‘. Aber wir prügeln uns nicht dauernd. Im Gegenteil.“ Zudem hätten immer mehr Grundschüler Schwierigkeiten, einen Purzelbaum zu machen.

„Wir sagen den Eltern und Kindern immer, sie sollen erst mal vorbeikommen und sich ein Training anschauen. Wichtig ist, dass wir unseren Sport mit Verantwortungsbewusstsein betreiben.“

Quelle: Jan-Otto Weber(HA) „Kampfsport mit Hand und Fuß“, Hanauer Anzeiger vom Mittwoch, 27 September 2017, S. 26
Fotos: Bender/Weber

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